Geschichte


Obligatorische Brandassekuranz
1806 gründete der Thurgau eine staatliche Brandassekuranz, nur ein Jahr nachdem im Kanton Aargau die erste Institution dieser Art entstanden war. Damit hatten brandgeschädigte Haushalte erstmals einen rechtlich verbrieften Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Dafür mussten alle Hausbesitzer in die Versicherung eintreten und eine Solidargemeinschaft bilden, die die Unterstützung der Brandopfer zu tragen hatte.
Brandsteuer nach Bedarf
Regelmässige Prämienerhebungen gab es in den Anfängen der Brandassekuranz noch nicht. Leistungen für Brandschäden wurden im Nachhinein und je nach finanziellem Bedarf von den Versicherten eingezogen. Erst wenn die erhobene Brandassekuranzsteuer aufgebraucht war, wurde wieder eine neue erhoben. Die Abstände zwischen den Steuererhebungen lagen bei vier bis 36 Monaten.
Kantonale Feuerordnung
Beinahe gleichzeitig mit der Einführung der Gebäudeversicherung wurde auch die erste kantonale Feuerordnung erlassen. Sie enthielt in 90 Paragraphen eine Vielfalt präventiver Regelungen zum Umgang mit Feuer, Verbote von feuergefährlichen Arbeiten in Wohnhäusern, Vorschriften für feuergefährliche Gewerbe und Reglementierungen für den Hausbau. Versicherung und Gesetz sollten zusammenwirken, um «die Sicherheit und den Wohlstand des Kantons positiv zu beeinflussen». Die Feuerwehr steckte am Anfang des 19. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen, es wurde vor allem mit Feuereimer und Feuerhaken gegen Brände vorgegangen, was nicht selten misslang; ganze Dorfteile fielen immer wieder dem Feuer zum Opfer.
«General-Feuer-Assecuranz-Cadaster»
Alle Gebäude im Kanton Thurgau wurden im Laufe von drei Jahren registriert, geschätzt und im «General-Feuer-Assecuranz-Cadaster» eingetragen. Bereits einen Monat nach der Gründung der Brandassekuranz erging der Auftrag der Finanzkommission an die Gemeinderäte, den Bestand in ihrer Gemeinde nach einem vorgegebenen Raster aufzunehmen. Diese Brandversicherungen, die sehr schnell in der ganzen Schweiz eingeführt wurden, trugen wesentlich dazu bei, dass die Entwicklung einer bürgerlichen Eigentümergesellschaft am Ende der Feudalherrschaft rasch voranschritt.
Jedem Risiko seine eigene Prämie
Mit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Dynamik der Wirtschaft rasant zu. Das Versicherungskapital erhöhte sich von 1860 bis 1910 von 61 auf 380 Millionen Franken. Aber die Wirtschaftsentwicklung brachte auch laufend neue Risiken und Gefahrenherde mit sich. 1835 wurden die Fabriken gemäss ihrer Brandgefährlichkeit in verschiedene Beitragsklassen eingeteilt. Politisch war dieser Schritt unbestritten; dagegen wuchs der Widerstand gegen das Monopol, das in einem wirtschaftsliberalen Klima des Aufbruchs Missfallen erregte. Trotzdem wurde das Obligatorium von 1806 in den 30er Jahren gegen den Widerstand der grossen Fabrikanten um das Monopol ergänzt.

Rückversicherung grosser Risiken
Nach mehreren grossen Brandereignissen beendete der Grosse Rat die Diskussion, ob Grossrisiken bei einer Privatversicherung zu hohen Kosten rückversichert werden sollten oder nicht. 1879 schloss der Regierungsrat mit der französischen Versicherungsgesellschaft Phénix für die hohen Versicherungswerte einen entsprechenden Rückversicherungsvertrag ab.

Regelmässige Prämien schaffen Sicherheit
Am 24. Mai 1910 stimmte der Grosse Rat dem Antrag des Regierungsrates für die Einführung einer Jahresprämie und die Äufnung eines Reservefonds zu. Damit hatte sich die Gebäudeversicherung den zeitgemässen versicherungstechnischen Anforderungen angepasst.

Ausweitung der Versicherung auf «Naturgewalten»
Der Umgang mit Elementarschäden unterschied sich bis ins 20. Jahrhundert hinein massiv vom Brandschadenbereich. Elementarschäden konnten nicht versichert werden und die Opfer waren jeweils auf Zuwendungen angewiesen, die den Charakter einer Armenfürsorge hatten. Das änderte im Kanton Thurgau erst 1933 mit der Einführung der Elementarschadenversicherung. 90 Prozent des Schadens waren damals gedeckt, Erdbebenschäden waren ausgeschlossen und eine Franchise von 100 Franken wurde eingeführt.

Reorganisation der Feuerpolizei
Mit der Verabschiedung einer neuen Feuerpolizeiverordnung wurde die Feuerpolizei dem Assekuranzdepartement unterstellt und damit der Aufgabenbereich der Gebäudeversicherung erheblich ausgeweitet. Das spiegelte sich auch in den Anschaffungen der Gebäudeversicherung. 1948 wurde das erste Auto – ein Citroen, Typ II Légère, ein Jahr später eine Kamera erworben.

Brandverhütungspropaganda für Hausfrauen
Mit dem Beginn des Massenkonsums in den «Goldenen» Jahren rückte der Haushalt als neuer Risikoschauplatz ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die zunehmende Technisierung und die steigende Zahl von Apparaten mit denen sich die moderne Hausfrau umgab, führte zu einer Einstufung des Haushalts als besonders risikoreich. Abhilfe sollte eine professionelle Propagandakampagne schaffen: «Der Gedanke der Brandverhütung soll in breiteste Schichten der weiblichen Bevölkerung getragen werden und damit vor allem Hausfrauen erfassen.»
Einführung der Neuwertversicherung
Mit den hohen Inflationsraten in den 80er Jahren konnte der Bauwert der Gebäude mit der rasch steigenden Teuerung nicht mehr mithalten, die Kosten für einen Wiederaufbau waren nicht mehr gedeckt. Private Versicherungen hatten bereits 1958 so genannte Neuwertversicherungen eingeführt. Damit ging der Wertverlust einer Immobilie über die Zeit nicht mehr länger zu Lasten des Versicherten, sondern wurde von der Gebäudeversicherung getragen. Als Grundlage dient der laufend aktualisierte Baukostenindex. Im Kanton Thurgau wurde diese Verbesserung 1970 obligatorisch eingeführt.
Vom Volk in die Selbständigkeit entlassen
Am 5. Dezember 1975 stimmte das Thurgauer Volk einem neuen Gesetz über die Gebäudeversicherung zu, das die staatliche Institution in die rechtliche Selbständigkeit entliess. Fortan war die Gebäudeversicherung Thurgau eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Damit war sie nicht mehr länger dem Regierungsrat sondern dem Grossen Rat unterstellt. Gleichzeitig wurde auch ein neues Gesetz über den Feuerschutz erlassen, das dem Wandel und dem Anstieg der Gefahren in der Nachkriegszeit Rechnung trug. Der Feuerschutz blieb eine polizeiliche Aufgabe und unterstand weiterhin dem Regierungsrat - seit 1991 gehört es in den Zuständigkeitsbereich des Departements für Justiz und Sicherheit.

Interkantonale Risikogemeinschaft Elementar
Im Katastrophenjahr 1999 war die Gross-Schadengrenze der Gebäudeversicherung massiv überschritten worden und die fünf Jahre zuvor gegründete Interkantonale Risikogemeinschaft Elementar leistete wertvolle Hilfe. Diese spezielle Rückversicherung der Kantonalen Gebäudeversicherungen kommt für Schäden auf, die die definierte Gross-Schadengrenze überschreiten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Risikoausgleich.